Hohe Ansprüche und mangelnde Zahlungsbereitschaft

Reges Interesse und lebhafte Diskussionen löste das Thema: ?Ganztierverwertung ?from nose to tail? aus, was im Spagat der ethischen Verantwortung und den ökonomischen Notwendigkeiten steht. Hohe Anforderungen an mehr Tierwohl bei mangelnder Zahlungsbereitschaft als Zielkonflikt stellen für Handel, Fleischindustrie und Landwirtschaft große Herausforderungen dar.

Weiterhin dynamisch treibt die Digitalisierung die Branche an,

woraus neue Chancen durch mehr Prozesseffizienz erwachsen. Nicht

zuletzt sind Lösungen gefragt, die das Verbrauchervertrauen in die

moderne Landwirtschaft und die Fleischbranche stärken. Getreu dem

Motto: ?Wer weniger weiß, glaubt mehr den Schlagzeilen und Bildern

in den Medien?. Hier gilt es Lösungen zu finden, um dem

entgegenzusteuern.

Neue Wege bringen neue Geschäftsmodelle

Wenngleich neue Ideen und deren Umsetzung oftmals Nischenmärkte

bedienen und die Umsetzung Zeit benötigt, so lohnt sich doch ein

Blick auf diese Modelle. Das Leitmotiv von Wolfgang Müller

(Metzger, Sternekoch und Buchautor) ist: ?Respekt vor dem Tier

heißt uns selbst respektieren?. Darüber stellt sich für ihn die

Frage, ob die derzeit übliche ständige Verfügbarkeit jeglicher

Edelteile im Einzelhandel angesichts größer werdender

Foodwaste-Berge vernünftig ist. Sein Weg: Deutlich höhere Preise,

selbst wenn das auch schon mal Verzicht bedeutet. Weitere Beispiele

für die Ganztierverwertung, sprich weg von ?Masse hin zu Klasse?,

präsentierten Bruno Jöbkes (Naturverbund Niederrhein und der

Schlachterei Thönes e.K.) sowie Hinrich Carstensen

(EinStückLand).

Wirksamkeit in der Breite

Die Initiative Tierwohl (ITW) hat eine klare Mission:

Wirksamkeit in der Breite. Mit rund 6.700 teilnehmenden schweine-,

puten- und hähnchenhaltenden Betrieben ist sie Deutschlands größtes

Förderprogramm für Tierwohl in der Nutztierhaltung. Von diesem

profitieren jährlich fast 600 Mio. Tiere, so Alexander Hinrichs

(Geschäftsführer der ITW). Die in gewissen Schichten der

Bevölkerung vorherrschende Meinung alles, was nach

Massentierhaltung und Industrie riecht, ist aus subjektiven

Wahrnehmungen heraus schlecht, widerlegten Andreas Schweiger und

Sabine Messner (Müller Fleisch GmbH). Die Müller Gruppe betont im

Rahmen ihres Qualitätsprogramms ?Süddeutsches Schweinefleisch?

(SDS) mit dem Tiergesundheitsbonus die Bedeutung von Tierwohl und

bietet über die Auswertung amtlicher Schlacht-Befunddaten eine

objektive Managementhilfe zur Verbesserung von Tiergesundheit und

Tierwohl.

Digitalisierung ? neue Chancen

Um die unterschiedlichen Qualitätssiegel stets aktuell zu

halten, sind transparente Informationen unerlässlich, dies war die

Botschaft von Dr. Kassahum. Im vorgestellten Piloprojekt der

Universität Wageningen sowie einer führenden

Schweinefleisch-Erzeugergemeinschaft, GS1 Germany und anderer

Partner werden Audit-Echtzeitdaten automatisiert festgehalten.

Weitere spannende Themen waren: ?Kann ein Haltbarkeitsdatum

dynamisch sein?? Darunter verbirgt sich das Projekt ?Freshindex?.

Die Erläuterung dazu kam von Oliver Teschl (METRO-NOM GmbH). Eine

chargengenaue Rückverfolgbarkeit wird immer wichtiger. Insbesondere

an den Bedientheken fragen anspruchsvolle Endverbraucher vermehrt

nach Informationen zur Herkunft und Tierhaltung. Die praktische

Umsetzung dieser Herausforderung schilderte Mark Zwingmann (EDEKA

Zentralgesellschaft mbH).

Vom Lippenbekenntnis bis zum Griff ins Portemonaie ? ein

weiter Weg

Im Rahmen des Fachforums ?Verbraucherwünsche ? Kluft zwischen

Forderung und Wirklichkeit? thematisierten die Referenten das Thema

?Tierwohl? aus verschiedenen Gesichtspunkten. Deutlich wurde dabei

die teils große Diskrepanz zwischen geäußerter Zahlungsbereitschaft

und dem tatsächlichem Kaufverhalten. Und doch zeigte sich, dass die

erforderliche Zahlungsbereitschaft durchaus vorhanden ist. Mitunter

dürfte der Kauf von Fleisch aus tiergerechterer Haltung derzeit

auch nur an mangelnder Verfügbarkeit scheitern. Denn noch sind die

entsprechenden Sortimente im Einzelhandel überschaubar.

Was bringt die Branche wirklich weiter?

In der abschließenden Diskussionsrunde wurden die Themen:

?Verbrauchersensibilisierung, Digitalisierung, Vermarktungskonzepte

und was bringt die Branche weiter?? intensiv diskutiert. Eine nicht

minder einzuschätzende Bedeutung kommt dem Verkaufspersonal am

sogenannten Point of Sale zu. Hier sind die am Anfang erwähnten

?Nischen-Vermarkter? im Vorteil, da hier Mitarbeiter mit Herzblut

und hoher Begeisterung die Kunden überzeugen. In der breiten Masse

wiederum ist ein zunehmendes Problem tüchtige und engagierte

Fachkräfte zu finden. Interne Gespräche ergaben, dass teils mit

?Quereinsteigern/innen? und guter Bezahlung positive Erfahrungen in

einzelnen Fällen gemacht wurden. Als Abschluss lässt sich sagen,

den ?Königsweg? für alle als den optimalen Vermarktungsweg, gibt es

nicht. Hier sind vielmehr betriebsindividuelle und

standortangepasste Lösungen und neue Wege gefragt.