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Parlament gibt grünes Licht

Das erste Mal in der Geschichte der Europäischen Union wird es eine EU-weit gültige Richtlinie zum Bodenschutz geben. Das Europaparlament hat als letztes Gesetzgebungsorgan der Trilog-Einigung vom letzten April zugestimmt. Der Rat hatte bereits gegen das Votum Deutschlands vor wenigen Wochen grünes Licht erteilt. Die Richtlinie wird nun 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt haben die Mitgliedstaaten drei Jahre Zeit, um das Gesetz umzusetzen.

Das Ziel des neuen Regelwerks: Bis Mitte des Jahrhunderts sollen alle Böden in der Europäischen Union in einen gesunden Zustand überführt werden. Dafür soll ein "kohärenterer und harmonisierter EU-Rahmen für die Bodenüberwachung" etabliert werden. Die EU-Staaten werden damit verpflichtet, die Bodengesundheit in ihrem gesamten Hoheitsgebiet zu überwachen und zu bewerten. Dies gilt sowohl für die physikalischen als auch die chemischen und biologischen Vorgänge im Boden.

Kaum neue Pflichten für Landwirte

Zuletzt war unter anderem der Deutsche Bauernverband (DBV) gegen das Gesetz Sturm gelaufen. Allerdings bringt die Richtlinie keine neuen unmittelbaren Pflichten für Landeigentümer oder -bewirtschafter mit sich. Stattdessen sollen diese bei der Verbesserung der Gesundheit und der Widerstandsfähigkeit des Bodens unterstützt werden. Zu den entsprechenden Maßnahmen zählen unabhängige Beratungen und Schulungen.

Auch Forschung und Innovation soll stärker als bisher gefördert werden. Zudem werden die Mitgliedsländer verpflichtet, regelmäßig die finanziellen Lasten der Verbesserung der Bodengesundheit und der Widerstandsfähigkeit für Land- und Forstwirte zu bewerten.

EU-weit einheitliche Probenahme

Die Mitgliedstaaten müssen innerhalb von zehn Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes eine öffentliche Liste potenziell kontaminierter Standorte erstellen. Ziel ist es, alle "unannehmbaren Risiken" für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu beseitigen.

Ferner soll eine harmonisierte Referenzmethode für die Probenahme geschaffen werden. Bereits vorhandene Methoden dürfen von den EU-Ländern verwendet werden. Für deren Weiterentwicklung soll die Europäische Kommission allerdings Unterstützung leisten. Die Rede ist von "maßgeschneiderter finanzieller und technischer" Hilfe.

Überwachungsliste wird Pflicht

Um dem unterschiedlichen Grad an Bodendegradation Rechnung zu tragen, müssen die nationalen Regierungen nach Inkrafttreten der Richtlinie "unverbindliche, nachhaltige Ziele" festschreiben. Diese müssen mit dem Gesamtziel der Verbesserung der Bodengesundheit in Einklang stehen.

Eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten muss eine vorläufige Überwachungsliste neu auftretender Stoffe erstellt werden. Darin enthalten sein müssen Substanzen, die ein erhebliches Risiko für die Gesundheit des Bodens, die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellen könnten. Aktuell steht bereits fest, dass auf dieser Liste relevante Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) sowie Rückstände aus dem Pflanzenschutz enthalten sein sollen.

Keine Zukunft ohne gesunde Böden

Zufrieden zeigte sich der Berichterstatter des Europaparlaments, Martin Hojsík: "Ohne gesunde Böden gibt es keine Zukunft, ohne Kenntnisse über ihren Zustand können wir sie nicht schützen." Besonders begrüßte der liberale Abgeordnete die zusätzliche Unterstützung für die Landwirtschaft. Positiv hebt er auch hervor, dass alle Mitgliedstaaten künftig besser über den Zustand ihrer Bodengesundheit informiert sein werden.

Anders als die Mehrheit der EVP-Fraktion blieb die CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament bei Ihrer Ablehnung. Der Berichterstatter der EVP, der CDU-Politiker Oliver Schenk, sieht in dem Gesetz ein klassisches Beispiel dafür, wie weit sich Brüssel von der Realität vieler Landwirte und Betriebe entfernt habe. "Nach Jahren der Überregulierung ist eine weitere bürokratische Bodenrichtlinie genau das falsche Signal." Laut Schenk passt das Gesetz "nicht in die Zeit" und nicht zu dem Versprechen, überflüssige Vorschriften zu vermeiden.

Für Häusling ein großer Erfolg

Martin Häusling, Berichterstatter der Grünen/EFA, bezeichnete es derweil als Erfolg, wenn in diesen Tagen "mal eine Regelung pro Natur im Europaparlament nicht komplett verwässert, verstümmelt oder abgelehnt wird!" Umso mehr freue er sich über die Annahme. Trotz "Gegenwind und einigen Verwässerungserfolgen durch die Konservativen" müsse man es einen großen Erfolg nennen, dass nun europaweit nach gleichen Regeln erfasst werde, wie es dem Boden gehe.

Anders äußert sich Hojsíks Kollegen aus der liberalen Fraktion Renew Europe (RE), Christine Singer: "Statt praktikabler, wissenschaftsbasierter Grundlagen erhalten wir ein zusätzliches Bürokratiepaket ohne klaren Mehrwert für die Praxis." Singer beklagt, dass das Gesetz tief in nationale Zuständigkeiten eingreife und auf ein "zentralistisches, top-down geprägtes Berichtssystem" setze.

Farm Europe ist voll des Lobes

Die Denkfabrik Farm Europe begrüßte die Verabschiedung der Richtlinie. Die Bodengesundheit sei entscheidend für die Nachhaltigkeit und Lebensfähigkeit des europäischen Agrarsektors und für die Fähigkeit der Landwirte, über bessere Überwachungsinstrumente mit robusteren und einheitlicheren Methoden zu verfügen. Farm Europe verweist auf das Ziel, Landwirten dabei zu helfen, die Bodengesundheit und die Widerstandsfähigkeit der Böden zu verbessern. Zu den Unterstützungsmaßnahmen können auch unabhängige Beratung, Schulungsmaßnahmen und Kapazitätsaufbau sowie die Förderung von Forschung und Innovation und Maßnahmen zur Sensibilisierung für die Vorteile der Widerstandsfähigkeit der Böden gehören.

Laut dem Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) Europe haben die EU-Gesetzgeber den Bürgern und Wissenschaftlern Gehör geschenkt. Trotz "gravierender Mängel" im finalen Gesetzestext sieht das Netzwerk in der neuen Richtlinie "einen wichtigen Meilenstein" im Kampf gegen die Bodendegradation in Europa. "Der Erfolg hängt von einer wirkungsvollen Umsetzung ab", so PAN Europe. AgE