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Lebensmittelbranche aufgeschreckt

Der Lebensmittelverband Deutschland und die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) haben die Kampagne „Kein echter Norden ohne Zucker“ gestartet. Damit wenden sie sich gegen die Vorschläge der schwarz-grünen Landesregierung in Schleswig-Holstein zur Einführung einer Zuckersteuer beziehungsweise einer Herstellerabgabe. Die Verbände lehnen dies als "Mittel staatlicher Konsumsteuerung" ab. Solche Maßnahmen seien ineffektiv, verzerrten den Wettbewerb, träfen vor allem Haushalte mit geringem Einkommen und widersprächen dem Prinzip des mündigen Bürgers.

 

Die Kampagne soll laut den Verbänden eine sachorientierte Debatte über die Ernährungspolitik fördern. Sie weisen "populistische Ansätze, die in die Rezepturhoheit der Lebensmittelhersteller eingreifen" zurück. Eine staatliche Abgabe beziehungsweise eine Zuckersteuer würde ohne nachweislichen gesundheitlichen Effekt genau diesen Kern der Produktentwicklung treffen, so die Kritik.

 

"Eine Zuckersteuer braucht hier niemand", fasst Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der BVE und des Lebensmittelverbandes, seine Position zusammen. Die Rezepturhoheit gehöre in die Küche der Lebensmittelhersteller und nicht in politische Debattenräume. Der gesundheitliche Nutzen solcher Steuern sei fraglich, so Minhoff. Keine der oft angeführten Modellierungsstudien erfülle die wissenschaftlichen Anforderungen, die für politische Entscheidungen nötig wären. Eine echte Verbesserung für die Lebensqualität der Menschen erreiche man nur durch Bildung, Bewegung und ein vielfältiges Angebot.

 

Großbritannien als Vorbild

Im Oktober hatten sich alle fünf Fraktionen im Landtag von Schleswig-Holstein für eine Herstellerabgabe auf besonders zuckerhaltige Soft- und Energydrinks ausgesprochen. Die Landesregierung wurde aufgefordert, sich beim Bund für eine Abgabe oder Steuer auf solche Getränke einzusetzen. In einem Antrag verwiesen die CDU und die Grünen auf Großbritannien, wo seit 2018 eine Steuer auf Getränke mit Zucker gelte. Seither enthielten dort viele Softdrinks deutlich weniger Zucker.

 

Eine Zuckersteuer hatte zuletzt auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, gefordert. Er hält eine solche Abgabe für notwendig, um das deutsche Gesundheitssystem finanziell zu stärken und die Einnahmen zweckgebunden in das Gesundheitswesen zu bringen. Gassen hob hervor, dass die Einnahmen aus einer Zuckersteuer eine wertvolle Ergänzung sein könnten, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern. In skandinavischen Ländern gebe es bereits eine solche Steuer.

 

Derweil zeigen die von der deutschen Getränkeindustrie bereits eingeleiteten Schritte zur Reduzierung des Zuckergehalts in Getränken offenbar schon Wirkung. Darauf deutet zumindest das Produktmonitoring des Max Rubner-Instituts (MRI) zur Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie (NRI) hin, das im Juli vorgelegt wurde. Demnach ist für die Jahre von 2018 bis 2024 in der Gesamtgruppe der Erfrischungsgetränke eine statistisch signifikante Verringerung des mittleren Zuckergehalts festzustellen.

 

Die Lebensmittelwirtschaft hat sich im Rahmen der NRI verpflichtet, bis zum Jahr 2025 bestimmte Reduktionsziele zu erreichen; dies betrifft vor allem an Kinder gerichtete Produkte. Elf Verbände der Lebensmittelwirtschaft und des Lebensmittelhandels haben inzwischen branchen- beziehungsweise produktbezogene Prozess- und Zielvereinbarungen mit ihren Mitgliedsunternehmen geschlossen, um spezifische Schritte, Maßnahmen und Ziele festzulegen. AgE